Piratenwhisky, Glen Blue und Glen Mouse

Nach dem Start 1983 stellte ich in den ersten fünf Jahren nur sporadisch Whisky her, da Steuern und Kosten des Wareneinsatzes in keinem Verhältnis zu den Einnahmen standen.

Ab 1990 betrieb ich die Sache dann intensiver und die Ausbeute und das Aroma des Whiskys wurden deutlich besser. Wie schon gesagt, betrug der jährliche Branntweinsteuereinsatz 6.000 DM und war sofort zahlbar. Außerdem summierten sich die Ausgaben für den Malz und weiteres Zubehör auf etwa 10 bis 15.000 DM. Dieser jährliche Aufwand musste dann auch mit den üblichen Zinsen vorfinanziert werden. Den Gegenstand „Whisky“ sieht eine Bank als „Luftsicherheit“ und ist daran auch nicht interessiert, weswegen keine Unterstützung seitens der Kreditinstitute zu erwarten war. Ich habe mich deshalb auch gar nicht erst darum bemüht und selbst der Vorstand als neugieriger Schnapsbrenner wusste lange nicht, was ich da machte.

In den folgenden Jahren entstand ein ansehnliches Whiskylager und 1996 versuchten wir den ersten Whisky unter dem Namen „Piratenwhisky – Pur Malt Whisky“ zu vermarkten – mit mitleidig belächeltem (Miss-)Erfolg.

Das änderte sich schlagartig, als der so genannte „Whiskypapst“, Professor Walter Schobert, der übrigens in der Nähe, nämlich in Erlangen geboren worden war, durch irgendjemanden eine Flasche Piratenwhisky in die Finger bekam. Er rief mich an und fragte, ob denn das stimmte was wir auf die Flaschen schreiben würden (reiner Malz). Als ich bejahte, meldete er sich für einen Besuch an. Nach seiner Ankunft zeigte ich ihm als Beweis die Zollbrennmeldung. Mit seiner Aussage „Dann gibt es einen Malt in Deutschland“ konnte ich damals zunächst wenig anfangen. Seine Veröffentlichung im gleichen Jahr in seinem Buch „Malt Whisky Guide – Führer zu den Quellen“ und die anschließende Resonanz in der Presse waren für uns natürlich eine angenehme Überraschung.

1995 konnte ich die Bundeswehrausstellung „Unsere Marine“ nach Forchheim vermitteln. Ehrensache, dass die Soldaten auf ein Bier in der „Blauen Maus“ zu Gast waren. Das Tresengespräch mit Ausstellungsleiter, Fregattenkapitän Dominik, führte über Schnapsbrennen im Allgemeinen bis hin zum Whisky. Ich bot ihm unseren Piratenwhisky an. Seine Meinung dazu war: „Der schmeckt besser als er heißt.“ Daraufhin forderte ich ihn in guter Laune auf, einen anderen Namen zu suchen. Nach kurzer Überlegung fragt er: „Wie heißt die Kneipe?“ „Blaue Maus“ „Denn machen wir eben ‚Glen Mouse’ daraus.“ Auf den Hinweis, dass wir noch eine zweite Sorte Malz hätten, meinte Dominik lapidar: „Die Marine ist blau, machen wir ‚Glen Blue’.“ Die Namen gefielen mir, also meldete ich sie im Oktober 1997 als Warenzeichen an.

Das Erstaunliche am Münchner Patentamt ist, dass man dort schneller arbeitet, wenn man das im Antrag entsprechend markiert und natürlich auch eine ganze Ecke mehr Gebühren bezahlt. Schon nach drei Monaten trafen die Urkunden ein. Weitere drei Monate dauerte die Frist, in der Widersprüche eingereicht werden konnten. Die Frist lief ohne Einsprüche ab. Am 26. Februar 1998 war ich stolzer Besitzer der Marke Glen Blue, am 26. März 1998 folgte die Marke Glen Mouse.

Am 28. Oktober 1998 erhielt ich ein dickes Kuvert des Deutschen Patentamtes. Eine Hamburger Anwaltskanzlei hatte die Löschung beider Marken im Namen der Scotch Whisky Association beantragt. Auf insgesamt 94 Seiten (wohlgemerkt pro Marke) begründete man, warum meine Marken gelöscht werden müssten. Das eigentliche Schreiben war gerade einmal sieben Seiten lang. Darin verwies man unter anderem auf die Destillerien „Glen Burgie, Glen Cadam, Glen Dronach, […], Glenfaclas, […], Glen Fyne, Glen Glasogh, Glen Goyne, […], Glen Kinchie, Glen Lochy, Glen Lossie, Glen Mavis, […], Glen Morray, […], Glen Scrotia, […], Glen Tauchas, Glen Ury und Glen Ugy“. Ebenso lang war ein Auszug aus „Johnston’s Gazetteer of Scotland“, einer Art alphabetischem Ortsverzeichnis, das zuletzt 1973 überarbeitet worden war und zeigen sollte, dass „Glen“ typisch schottisch ist.

Auf 21 Seiten war ein Urteil des Oberlandesgerichtes Wien zu finden, dass nur wenig Bezug zu meinem Fall aufwies. Auf sage und schreibe 40 Seiten waren lieblos angefertigte Kopien von Whisky-Etiketten mit so „berühmten“ Marken wie beispielsweise Glen Grigor, Glen Hardy, Gleniffer, Glen Ifa, Glenlanoch und Glenlomyn verewigt. Welcher Patentbeamter sollte dem widerstehen können?

Da gibt es im Patentrecht offensichtlich noch einen zweifelhaften Heckenparagraphen mit dem man allem widersprechen kann.Wir wurden also von der Scotch Whisky Association, einem Zusammenschluss fast aller großen Whiskyhersteller in Schottland, die zu dieser Zeit zusammen Jahr für Jahr um die 350 Millionen Liter Whisky auf den Markt brachten, verklagt.

Es ist natürlich verständlich, dass ich mit meinen 300 Liter reinem Alkohol jährlich eine Gefahr für diese Gruppe darstellte. Die großen Herren aus Schottland argumentierten also, dass das Wort „Glen“, was nichts anderes bedeutet als „enge Schlucht“, bei uns würde man wohl „Klamm“ sagen – auf Schottland hinweisen würde. Man beanspruchte dieses Wort als Eigentum und verglich dies mit der „Champagne“, dem „Burgund“ und anderen Regionen. Das Wort „Glen“ gibt es jedoch weltweit und ist meiner Ansicht nach kein schützensfähiges schottisches Eigentum. Was blieb mir anderes übrig, als einen Patentanwalt zu engagieren, denn wozu hatte ich denn die Urkunden aus einem eigenartigen Patentamt mit offensichtlich wertlosen Stempeln.

Man erweiterte die Vorwürfe und drohte sogar damit, eine Meinungsumfrage durchzuführen, um zu beweisen, dass das Wort „Glen“ den gewöhnlichen Kunden vermuten ließe, es mit einem schottischen Whisky zu tun zu haben.Letztendlich ließ man diesen Gedanken doch wieder fallen, wahrscheinlich, weil man es selbst als chancenlos einstufte.

Der nächste Einspruch war der widersinnigste von allen.

Er traf unsere Maus, die auf einem Holzfass sitzend abgebildet ist: Sie sei mit einem Truthahn zu verwechseln:

Auszug aus dem Anwaltlichen Schreiben der Scotch Whisky Association:

[…] „Im übrigen würde ein Verbraucher, der den ‚Whisky mit der Maus/Mouse’ bestellt, im Zweifel den bekannten Whisky ‚THE FAMOUS GROUSE’ erhalten. Der Whisky ‚THE FAMOUS GROUSE’ ist ein beliebter und bekannter schottischer Whisky. Dieser führt im Label ebenfalls ein Tier, und zwar ein schottisches Moorhuhn, auf englisch ‚Grouse’, was klanglich mit ‚Mouse’ nahezu identisch ist.“ […]
[…] „Wenn nun die Anmelderin blauäugig darauf abstellt, der ‚allein maßgebliche Bildbestandteil, nämlich die Maus’ täusche offensichtlich nicht über die Herkunft, so ist das eine glatte Schutzbehauptung. Wir haben bereits auf das Label von ‚THE FAMOUS GROUSE’ in Anlage AST 6 verwiesen. ‚THE FAMOUS GROUSE’ als ein bekannter und beliebter schottischer Whisky – als solcher auch als schottischer Whisky bekannt – führt ebenfalls ein Tier, nämlich eine ‚Grouse’, im Label. So ist die Anmelderin sowohl durch die Wahl des Namens ‚Glen Mouse’ in klanglicher Analogie zu ‚Grouse’, als auch durch die Verwendung des vom schottischen Whisky ‚FAMOUS GROUSE’ bekannten Tier-Motivs darum bemüht, den Verkehr durch diese Zeichen darüber irrezuführen, daß es sich um einen schottischen Whisky handelt. Sie hängt sich nicht nur klanglich sondern auch bildlich an Kennzeichnungen an, die der Verkehr mit schottischem Whisky verbindet.“

[…] Dann war das Schiff auf dem Etikett des „Glen Blue“ dran, das nichts anderes als eine Bark darstellte, wie zum Beispiel die Gorch Fock eine ist.

Dieses Bild verglich die Scotch Whisky Association mit der Cutty Sark, die dem bekannten Blended Whisky den Namen gab:

Auszug aus dem Anwaltlichen Schreiben der Scotch Whisky Association:

[…] „’CUTTY SARK’ als einer der bekanntesten und beliebtesten schottischen Whiskys – als solcher auch als schottischer Whiskys bekannt – führt eine Windjammer, nämlich ein dreimastiges Segelschiff mit drei Vorsegeln im Label. Es überrascht vor diesem Hintergrund nicht, daß auch das Segelschiff im Label der Anmelderin eine Windjammer ist, nämlich ein Segelschiff mit drei Masten und drei Vorsegeln. So ist die Anmelderin sowohl durch die Wahl des Namens ‚Glen Blue’ als auch durch die Verwendung des vom schottischen Whisky ‚CUTTY SARK’ bekannten Windjammer-Motivs darum bemüht, den Verkehr durch diese Zeichen darüber irrezuführen, daß es sich um einen schottischen Whisky handelt. Sie hängt sich nicht nur verbal sondern auch bildlich an Kennzeichnungen an, die der Verkehr mit schottischem Whisky verbindet.“ […] Die Cutty Sark war allerdings ein englischer Teeclipper, ein ganz anderer Schiffstyp und deutlich von der Bark zu unterscheiden. Also konnte man auch hier nicht punkten.

Selbst die Bezeichnung „Deutsches Erzeugnis“ wurde bemängelt. Erst die Drohung der Schotten, uns mit einer Unterlassungsklage mit einem wahrscheinlich maßlos überhöhten Streitwert zu überziehen, zwang uns zur Aufgabe und zum Rückzug. Nach dem Motto: „Viel Feind, viel Ehr“

Insgesamt 20.000 DM hat mich dieser „Spaß“ gekostet.

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