Die Anfänge der Brennerei

Unser freundlicher, durch den Garagenbau bereits bekannte Grenzsteinnachbar hatte zu seinem Grundstück ein Wegerecht über ein Privatgrundstück. Durch die Umlegung wurde seine Flurnummer aus Versehen uns zugeschrieben, er bekam eine andere. Ich hatte jetzt die Flurnummer mit dem Wegerecht, das heißt er hatte plötzlich keine Zufahrt zu seinem Grundstück mehr. Auf Bitten von Bürgermeister Eismann und dem zweiten Bürgermeister Körber wurde das Problem gelöst, da der Wegerechtgeber kein Interesse hatte, dieses Recht mit der neuen Flurnummer neu eintragen zu lassen. Und ich hatte keinen Nutzen von dem Wegerecht. So verzichtete ich auf das Wegerecht zugunsten des Grenzsteinnachbarn. 1978 bauten wir dann unser Brennereigebäude.

Der Zimmermann Saffer hatte von mir die Anweisung, die Dachsparren nicht zu weit ablaufen zu lassen, damit wir nicht über die Grenze bauten. Es kam wie es kommen musste: Fertig gedeckt mit Dachrinne lagen wir 4cm über Grenzsteinmitte. Der Nachbar erkannte das und zeigte uns beim Landratsamt an. Also das Ganze zurück: Dach abdecken, Dachrinne abbauen, Sparren abschneiden, denn dem Grenzsteinnachbarn passte das nicht. Im Nachhinein frage ich mich, warum ich das Wegerecht nicht behalten habe, mein Nachbar müsste dann mit dem Hubschrauber einfliegen.

1980 wurde die Brennerei in Betrieb genommen Mit einem Jahreskontingent von 300 Ltr. Alkohol besteht die Möglichkeit, Obst und mehlige Stoffe zu verarbeiten. Wir erhielten eine ausführliche Einweisung durch den Zollbeamten – insbesondere zu den rechtlichen Bestimmungen.

Zur Inbetriebnahme der Brennerei am 15.03.1980 wurde eine Getreidemaische destilliert, die vier Tage vorher unser damaliger Zollbeamte Walter Schaub nach seinen Anweisungen mit mir eingemaischt hatte. Auch in den Destilliervorgang wies er mich ein und seine Aussage für ein gutes Destillat ist noch heute gültig: Guter Rohstoff und sich beim Destillieren Zeit lassen „Mann muss den Schnaps herausbeten,“ d. h. je langsammer- und gleichmäßiger der Mittellauf behandelt wird, um so feiner wird das Produkt.

In Neuses gab es schon mal eine Brennerei und so hatten wir natürlich anfangs auch viele neugierige Zuschauer unter den Einheimischen, die zu den unmöglichsten Zeiten vorbeischauten. Irgendwann wurde es mir zu bunt und ich füllte sie schließlich mit Beck’s Bier und Proben des Hochprozentigen aus dem Messzylinder (die hatten mindestens 80% Alkohol) ab. Die Folgen kann man sich vorstellen, aber danach war Ruh’ und wir konnten endlich wieder ungestört arbeiten.

Eines Tages waren Schorsch, der mir seit 1975 als hilfsbereiter Geist zur Seite stand, und ich gerade mit dem Abfüllen der Flaschen im Keller beschäftigt, als wir von zwei in grün gekleideten Herren Besuch erhielten. Nach drei Stunden Zuschauen, Bier trinken und etlichen Schnapsproben waren ihre Klamotten „blau gefärbt“ und bevor sie den Dienstwagen schließlich zum Schichtwechsel auf der Dienststelle abgaben, gingen sie noch zu einer Bekannten zum Kaffeetrinken – um wenigstens halbwegs klar zu sein.

Am 03.10.1982 war der für uns zuständige Zollbeamte Walter Schaub für einen Brennerei- Kontrollbesuch im Haus. Bei der Gelgenheit machte mir mein Lehrer, der von der Alkoholherstellung mit Sicherheit mehr verstand als ich, in seiner korrekten Art, aber so bestimmend, dass man sicher ist es machen zu müssen, den Hinweis, doch mal Malz einzumaischen und zu destillieren. Jahre später, lange schon in Pension, erfuhr ich von Ihm, dass er Asubilder am Zollamt war. Das erklärte auch die Dienstbesuche mit jungen Mitarbeitern, dennen er die Alkoholherstellung nahe legte. Auch ich war dankbar für jede Beratung.
Im Grunde genommen ist er der Verursacher und Urheber der Deutschen Whiskybrenner Welt und im Gefolge Österreich und die Schweiz.
Den fertigen Stoff sollte man dann in Eichenfässer einlegen, heraus käme dabei Whisky. Im Fachbuch „Brennereitechnologie“ aus dem Ulmer-Verlag war damals eine halbe DIN A5-Seite zur Whiskyherstellung zu finden, die sich auf Beschreibung und Bezeichnung der Whiskysorten beschränkte. Wie er gemacht wird, sollte man wohl selber herausfinden. Das erste Problem war, woher ich dafür das Malz kriegen sollte. In der näheren Umgebung war nichts erhältlich. Schließlich wäre ich ja auch kein Großabnehmer. Ich streckte die Fühler über die fränkische Grenze aus und fand eine Mälzerei und eine aufgeschlossene Besitzerin, die Gefallen an meiner Absicht fand und zunächst einmal in ihren Fachbüchern stöberte. Ich kaufte von ihr schließlich zwei Malzsorten (Rauch- und Pilsmalz) ein.

Am 19. Februar 1983 war es dann schließlich so weit: Das „Hauptzollamt Stuttgart – Zentralstelle Abfindungsbrennen“ genehmigte die Herstellung von Branntwein. Am 15. Februar maischte ich erstmals Malz ein, vier Tage später floss das erste Destillat aus der Brennblase. Die Behandlung und das Einmaischen, das nirgendwo geschrieben stand, fand in Anlehnung an bisherige Getreidemaischen statt. Notizen über die Vorgänge beim Maischen anzulegen, war das A und O. Den vorgegebenen Steuersatz (=Ausbeutesatz) habe ich übrigens damals nie erreicht. Trotzdem war natürlich jedes Mal die komplette Branntweinsteuer fällig.

Und so ging es dann weiter: Fehler suchen, üben, Notizen machen, Einmaischen und Destillieren, anmelden und Steuern zahlen. Denn über den gesetzlichen Ausbeutesatz hinaus gibt es eine – bedingt durch gute Vorarbeit, gutes Obst und gutes Getreide – erreichbare Mehrausbeute: „Der Überbrand ist des Brenners Lohn“. Der Steuersatz betrug damals pro Liter reinen Alkohol 21,75DM Branntweinsteuer und war jeweils nach dem Destillieren im darauf folgenden Monat zu bezahlen.

Wir hatten damals einen in Bamberg stationierten US-Soldaten namens Peter im Ort, der überzeugter Whiskytrinker war. Sein Glas füllte er stets bis zwei Finger breit unterhalb des Randes, also Abstand Daumen – kleiner Finger. 1945 schenkte ich ihm zum Geburtstag ein Einmachglas mit einem Liter Whisky. Er und seine Freunde waren begeistert von dem Getränk: „Really lovely.“ Das war der Auslöser weiter zu üben und mit der Zeit wurden die Fehler erkannt und beseitigt. Auch die Ausbeute wurde deutlich besser. Ich empfand diese Tätigkeit als selbstverständlich für einen Brenner und mein Whisky war aus meiner Sicht nichts besonderes, sondern stand auf einer Stufe mit dem Korn oder dem Zwetschgenbrand, den ich ebenfalls herstellte.

Deutscher Whisky war spätestens seit 1958 durch den bekannten „Racke Rauchzart“ ein Begriff und für mich auch ein Vorbild. So betrachtete ich mein Tun nicht als Novität in Deutschland, denn ich machte ja nichts anderes als Racke – Whisky eben. Im Jahre 1985 machte dann mein Brenn-Lehrer den Vorschlag die damals hergestellten Brände (Korn, Zwetschgen, Kirsch) und zwei Sorten Whisky, die eigentlich nach zwei Jahren noch nicht so bezeichnet hätte werden dürfen, einer Prüfung zu unterziehen. Also meldete ich die Spirituosen beim Baden-Württembergischen Brennereiverband, der mit der Universität Hohenheim zusammen arbeitete, zur Spirituosenprüfung an.

Auf meinen Etiketten stand lediglich das Wort „Whisky“, zusammen mit Alkoholgehalt, Name und Herkunft, nicht aber die Art des Rohstoffes, also zum Beispiel Malz, was sich dann 1996/97 noch als Glücksfall herausstellen sollte. Bei der Abschlussveranstaltung erhielten wir als Gastantragsteller eine vorzügliche Bewertung. Ein pensionierter Zollbeamter namens Ries gab mir schließlich noch deutlich und bestimmend weitere Ratschläge zur Aktivkohlebehandlung, zum Filtern und noch einiger anderer Dinge mit auf den Weg.

Die Zeit verging. Wir destillierten in Abständen von ein bis zwei Jahren immer wieder Malz und es baute sich so ein beträchtliches Lager auf. Ein Teil des 300-Liter-Kontingentes, das ich mit meinem Brennrecht herstellen durfte, wurde bevorratet oder aber auch damit die fällige Branntweinsteuer bezahlt. Das waren bei 300 Liter 6.000 DM pro Brennjahr für eine Ware, die gelagert ist und viele Jahre warten muss, bis sie gereift ist und verkauft werden kann.

1993 und 1995 traten wir dann wieder mit unseren Whiskys beim Baden-Württembergischen Brennereiverband an, um sie erneut testen zu lassen. Vor allem interessierte uns, welchen Einfluss die Lagerung auf den Whisky gehabt hatte. 1993 erhielten wir ebenso gute Bewertungen wie schon 1985.

1995 dann die Überraschung: Der Whisky wurde mit einem „Falsche Bezeichnung“ deklariert und erhielt Null Punkte, er war also durchgefallen. Wir fanden heraus, dass ein Brenner aus Owen auf der schwäbischen Alb in der Prüfungskommission als Tester tätig war, der angeblich wenige Jahre zuvor selbst begonnen hatte, Grain Whisky herzustellen und eine gute Bewertung erhielt.

Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt. 2006 erwarb meine Tochter Angelika in unmittelbarer Nähe zu unserem Betrieb ein Brennrecht mitsamt Anlage und arbeitet nun ebenfalls als Brennerin.